Film: The Roads not Taken
Regie: Sally Potter
Im Kino ab: 30. April
Länge: 85 min
FSK: unbekannt
Filmkritik:
von Nicola Scholz
The Roads Not Taken: Molly macht sich ständig sorgen um ihren Vater. Gerade jetzt geht er wieder nicht an sein Telefon und macht seiner Pflegekraft auch nicht die Tür auf. Mal wieder findet Molly ihn wie erstarrt im eigenen Bett liegend. Er schaut ins Nichts, scheint auch sie nicht zu sehen. Doch obwohl Molly eigentlich eine wichtige Präsentation zu halten hat, kümmert sie sic aufopferungsvoll um ihren Vater.
Dabei will sie nicht sehen wie es wirklich um seinen Zustand steht. Stattdessen fahren sie zum Zahnarzt. Schon die Fahrt dahin ist schwierig. Vor Ort will er partout den Mund nicht öffnen, trinkt das Waser zum Mundausspülen und macht sich dann in die Hose. Molly nimmt es mit Humor. Der Arzt fragt ob ihr Vater überhaupt richtig anwesend sei. Währenddessen befindet sich Mollys Vater auf einer Reise in die Vergangenheit. Begegnet seiner Jugendliebe und trauert um einen verlorenen Sohn.
Nicht einmal fällt im Film der Begriff „Demenz“ oder „Alzheimer“ und somit ist nicht von Anfang an klar mit welcher Krankheit Mollys Vater zu kämpfen hat. Man wartet auf den Moment wo alles aufgelöst wird, wo erklärt wird, wie es zu dem Zustand kam, in dem er sich nun befindet. Doch der Moment bleibt aus und man als Zuschauer etwas verloren, genauso wie Mollys Vater. Zudem werden wir direkt in die Handlung geworfen und begleiten Mollys Vater nicht bei einem Prozess wo er sich immer weniger erinnern kann, sondern gerade mal einen Tag lang bei all den Komplikationen, die in seinem Zustand nun schon vorhanden sind.
Wenn die Welt nicht in den Kopf passt
Irgendwie etwas schade, denn gespielt wird Mollys Vater auf wirklich beachtliche Art und Weise von Javier Bardem. Dieser kämpft um jedes Wort, das er sagen will und der Blick, der immer ins Nichts zu gehen scheint, wirkt so endlos, ohne Hoffnung, das man fast das Gefühl hat zu verstehen, wie es sich anfühlen muss mit dieser Krankheit zu leben und
nicht mehr wirklich in der Gegenwart zu Hause zu sein.
Leider funktioniert hier der Schnitt weg zu der Welt in Bardems Kopf nicht so richtig. Immer wieder befinden wir uns an zwei verschiedenen Stellen
im Leben von ihm. Es sind nur Bruchstücke, welche nicht wirklich viel erzählen oder zur eigentlichen Handlung beitragen. Irgendwie wirken diese Versatzstücke etwas verloren in der Welt der Geschichte von Potter. Doch vielleicht ist genau dies auch so gedacht gewesen, denn auch Mollys Vater ist verloren und wir, die nicht von Anfang an wissen was er für ein Schicksal hat und eben auch die Welt in seinem Kopf die nicht in den Film zu passen scheint.
Leider sind das zu viele Elemente die den Film als zerstückeltes Werk erscheinen lassen, statt als wirklich ein in sich geschlossener Erzählstrang. Doch was hervorsticht und wunderschön rüberkommt, ist die Vater Tochter Beziehung. Elle Fanning welche das Gegenstück zu Bardem hier ist, trifft mir ihrer Rolle sofort den eigentlichen Kern der Geschichte.
Als Gesamtwerk enttäuscht der Film
Sie ist diese zerbrechliche Tochter, die versucht stark zu sein und ihren Vater noch als ihren gesunden Vater zu betrachten. Das Lachen über kleinste Unfälle, wie seine nasse Hose beim Zahnarzt, oder die Tränen einer jungen Frau die erkennt das ihr Vater vielleicht doch nicht mehr richtig da ist. Dieser Zwiespalt wird so zart und stark erzählt das es zumindest diese kleinen Augenblicke sind, welche den Film irgendwo versuchen zu retten. Als Gesamtwerk hat er es aber leider schwer.
Und das sind nicht die fehlenden Augenblicke, nicht die schleichende Entwicklung der Krankheit, die nicht aufgegriffen wird, sondern die sich zäh ziehende Handlung, die auf 85 Minuten leider sehr viel länger wirkt und womöglich als Kurzfilm viel eher funktioniert hätte. Potter erzählt auch gerne mal punktierte kurze Handlungsstränge wie bei „the Party“ der mit 60 Minuten einen feinen spitzen düsteren humorvollen Film präsentierte.
Hier hat sie leider die falsche Methode gewählt, das falsche Format und die falsche Art und Weise die Geschichte von Molly und ihrem Vater zu erzählen. Dadurch geht leider viel Potenzial verloren, welches auch die kurzen stärkeren Momente des Filmes nicht wieder rausreißen können.
Meine Meinung: 5/10
Nicola Scholz betreibt den Blog Wortzauber und schreibt Rezensionen für Kinomeister. Sie ist leidenschaftlicher Filmfan und hat bereits bei zwei Kurzfilmen Regie geführt. Nicola ist regelmäßiger Gast bei der Berlinale.
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