Inhalt: Zusammen mit dem Schmuggler Keats (Chris Pratt) und einem mysteriösen Roboter durchquert das Waisenmädchen Michelle (Millie Bobby Brown) in den 1990er Jahren ein gefährliches Sperrgebiet auf der Suche nach ihrem jüngeren Bruder.
Optisch stark, aber mit erzählerischen Schwächen
Im Jahr 2018 veröffentlichte Simon Stålenhag sein Sci-Fi-Buch The Electric State, das mit seiner einzigartigen Kombination aus „narrativer Kunst“ und eindringlicher Atmosphäre eine düstere, retrofuturistische Vision Amerikas zeichnete. Es erzählt die Geschichte eines Teenager-Mädchens und ihres niedlichen, gelbköpfigen Roboterfreundes, die eine verlassene, unheimliche Landschaft durchqueren. Während eine andere Stålenhag-Adaption, Tales From The Loop, 2020 als zurückhaltende, melancholische Serie umgesetzt wurde, schlägt diese Filmadaption von The Electric State einen anderen Weg ein. Sie übernimmt zwar die Ästhetik des Originals, entwickelt sich jedoch von einer gespenstischen Dystopie zu mittelmäßigen Versuch eines humorvollen Action-Abenteuers.
Witzige Action-Abenteuer sind eigentlich das Spezialgebiet der Russo-Brüder, die sich seit ihren Avengers-Erfolgen in ihrer Inter-Marvel-Phase befinden (und schon bald die Superhelden-Truppe erneut zusammenbringen werden). Mit dem Selbstbewusstsein der Regisseure von Avengers: Endgame – dem zweiterfolgreichsten Film aller Zeiten – bringen sie ihre Handschrift in die Adaption ein. Doch das Drehbuch ihrer Stamm-Autoren Christopher Markus und Stephen McFeely hätte hier und da noch etwas mehr Feinschliff vertragen. Eine zu gehetzte Eröffnungsmontage liefert die Vorgeschichte: Ursprünglich wurden Roboter für Disney-Themenparks entwickelt, ehe sie zu einem festen Bestandteil der globalen Arbeitswelt wurden.
Doch in den 90er Jahren entwickelten diese Maschinen ein eigenes Bewusstsein und forderten „Roboterrechte“ – was zu einem zerstörerischen Krieg führte – als hätte Skynet plötzlich soziale Gerechtigkeit für sich entdeckt. Ein brüchiges Friedensabkommen besagt, dass alle Roboter nun ihr rostiges Dasein in einer riesigen Sperrzone mitten in der Wüste fristen sollen.
Die Russo-Brüder und der Versuch einer Blockbuster-Dynamik im Retro-Sci-Fi-Setting
In dieser alternativen Version der 90er Jahre macht sich Michelle (Millie Bobby Brown) gemeinsam mit ihrem Droiden-Kumpel auf die Suche nach Antworten zu ihrem lange verschollenen Bruder. Schon bald trifft sie auf den Kriegsveteranen und Schmuggler Keats (Chris Pratt) – eine Mischung aus Star Lord und Han Solo mit schlecht sitzender Perücke – und stellt sich gemeinsam mit ihm dem charismatischen Tech-Milliardär Ethan Skate (Stanley Tucci) sowie dem gnadenlosen Bot-Kopfgeldjäger Colonel Marshall Bradbury (Giancarlo Esposito).
Die Russo-Brüder machen visuell das Beste aus ihrem hohen Budget, liefern aber gleichzeitig ein mittelmäßiges World-Building, um eine interessante Welt und eine detaillierte Umsetzung von Stålenhags epischen Landschaften mit erstklassigen Spezialeffekten zu schaffen und das Publikum mitzureißen. Das nostalgisch-analog angehauchte Design verleiht dem Film dabei einen passablen Look. Weniger überzeugend sind die menschlichen Charaktere: Millie Bobby Brown und Chris Pratt harmonieren besser mit den CGI-Figuren als miteinander, und die Dialoge sind nicht so lustig, wie sie es gern wären – auch wenn das Drehbuch einige solide Einzeiler bereithält.
Dazu wird nicht jeder die exzentrischen Momente des Films zu schätzen wissen. Zudem wiederholt sich die Action stellenweise, und der Film verfehlt den anvisierten, familienfreundlichen Spielberg’schen Ton. Im Ergebnis bleibt The Electric State ein Blockbuster-Erlebnis mit großem Budget und noch größeren Ambitionen, die der Film nicht einhalten kann.
Fazit: The Electric State verliert viel von der Tiefgründigkeit, der Düsternis und der Grundidee der Buchvorlage, aber als leicht zugängliches, visuell ansprechendes Sci-Fi-Abenteuer bietet er genug Unterhaltungswert – was aber noch nie ein Kriterium für eine Filmbewertung war. Alles in allem bietet die Mischung aus retro-futuristischem Charme, Effekten und Actionspaß Durchschnittskost im Wert von 300 Millionen Dollar.
Film Bewertung 5 / 10