Inhalt: Während der Jahrestag von Wills Verschwinden immer näher rückt, wächst damit auch ein beklemmendes, nur allzu vertrautes Grauen. Die letzte Schlacht steht bevor, und mit ihr eine Dunkelheit, die mächtiger und tödlicher ist als alles, was die Freunde bisher erlebt haben. Um diesen Alptraum zu beenden, müssen sie alle – die gesamte Gruppe – noch ein allerletztes Mal zusammenhalten.
Abschiede, Blicke ins Nichts und die Last des vorletzten Akts
Stranger Things als bloße Mysteryserie zu bezeichnen, greift längst zu kurz. Die Serie war immer Horrorfilm, popkulturelle Pastiche und Coming-of-Age-Erzählung zugleich. Doch in den letzten drei Episoden vor dem großen Finale am Neujahrstag kristallisiert sich das eigentliche Rätsel der Serie so deutlich heraus wie nie zuvor. Umso erstaunlicher ist es, dass die Duffer Brothers die Spannung über nahezu ein Jahrzehnt aufrechterhalten konnten, ohne die entscheidenden Karten offen auf den Tisch zu legen.
Rückblickend wirkt es fast absurd, dass so viele Zuschauerinnen und Zuschauer all die Jahre akzeptiert haben, nicht wirklich zu wissen, was das Upside Down eigentlich ist. Ohne diese Rezension mit Spoilern zu belasten, lässt sich festhalten, dass Ausgabe 2 endlich Antworten liefert. Viele davon kommen schnell, offen und erklärend daher. Dennoch fühlen sie sich nicht nach algorithmischer Pflichterfüllung an, sondern nach einem bewussten, künstlerischen Schritt. Die Enthüllungen besitzen Charme, Ruhe und eine Ernsthaftigkeit, die eher an klassische Genreerzählungen erinnert als an modernes Streaming-Storytelling.
Als vorletztes Kapitel vor dem Serienfinale wirkt Ausgabe 2 an manchen Stellen bewusst zurückhaltend. Ein Großteil der Laufzeit ist Figuren gewidmet, die in die Ferne blicken, ihre Ängste schildern und Abschiedsreden halten, begleitet von einem nicht näher definierten Gefühl eines unheilvollen Endes. Dieser Fokus auf innere Befindlichkeiten verlangsamt zwar das Tempo, verleiht der Staffel aber gleichzeitig auch emotionales Gewicht.
Ob Stranger Things letztlich einen wirklich runden Abschluss findet, bleibt offen. Doch zum jetzigen Zeitpunkt sind alle erzählerischen Schachfiguren so positioniert, dass etwas Großes, möglicherweise sogar Außergewöhnliches entstehen kann. Die Serie nimmt sich bewusst die Zeit, diesen Moment vorzubereiten, statt ihn voreilig abzuhaken.

Vecna, Ungleichgewichte und emotionale Höhepunkte
Zur Verstärkung von Terror und Bedrohung setzt man hier stark auf Vecna. Jamie Campbell Bower bleibt in seiner Darstellung durchgehend fesselnd, auch wenn die Figur selbst zunehmend auf ihre sadistische Grundfunktion reduziert wird. Seine Motive sind klar, fast schon simpel, was der Wirkung allerdings keinen Abbruch tut, sondern sie eher zuspitzt.
Auffällig ist das Ungleichgewicht innerhalb des großen Ensembles. Figuren wie Robin, Eleven und Hopper erhalten überraschend wenig Raum, während Sadie Sink als Max erneut zum emotionalen Kern avanciert. Die Newcomerin Nell Fisher als Holly setzt zusätzliche Akzente und dominiert manche Passagen mit einer Intensität, die im Gedächtnis bleibt. Umso erfreulicher ist das Wiederauftauchen einiger Charaktere, die zuvor scheinbar aus dem Spiel genommen waren. Diese Momente wirken wie kleine Geschenke an ein Publikum, das die Serie seit Jahren begleitet.
Gelegentlich ermüden die zahlreichen Beinahe-Katastrophen und die Betonung romantischer Momente gegenüber klaren Handlungsschritten. Doch angesichts der verbleibenden Episoden wird deutlich, warum die vollständige Auflösung noch zurückgehalten wird. Manche Puzzles verlangen Geduld.

Vorbereitung statt Auflösung
Der vorletzte Akt konzentriert sich nicht so sehr auf einen spektakulären Abschluss, sondern eher auf die Vorbereitung einer großen finalen Konfrontation. Es gibt einige Monologe, die offensichtlich auf emotionale Höhepunkte hinarbeiten und dabei nicht immer ihren Zweck erfüllen. Dennoch dürfte es schwierig sein, diese Episoden ohne ein weinendes Auge zu beenden. Die Serie weiß genau, wann sie sich zurücknehmen und wann sie Emotionen zulassen muss.
Nach einer so langen erzählerischen Vorbereitung wäre ein überstürzter Abschluss eigentlich ein Verrat an der bestehenden Struktur. Stattdessen kostet Stranger Things seine Lösungsansätze aus und setzt sie bewusst und mit erkennbarer Sorgfalt um. Bislang ist das Ergebnis ausgesprochen stimmig.
Fazit: Ausgabe 2 der 5. Staffel von Stranger Things ist ein stimmiges, oft auch bewegendes vorletztes Kapitel. Es beantwortet offene Fragen, vertieft zentrale Charaktere und bereitet die Bühne für ein Finale, das jetzt nicht nur unvermeidlich, sondern auch emotional verdient erscheint. Das große Ende ist noch nicht erreicht, aber selten hat sich der Weg dorthin so schlüssig und befriedigend angefühlt.
Bewertung 8 / 10





