Ein Mann mit blondierten Haaren sitzt Oberkörperfrei am Schlagzeug

Amazon Prime Video

Regie: Darius Marder | Kamera: Daniel Bouquet

Drehbuch: Darius Marder, Abraham Marder| Produzenten: Sacha Ben Harroche, Bert Hamelinck, Michael Costigan


Metal(l)?

Vorneweg lässt sich für alle nicht so großen Metal-Liebhaber eine Entwarnung aussprechen; bei „Sound of Metal“ handelt es sich nicht um eine Ode des Shreddens und Schreiens. Der Titel weiß auf den ersten Moment zu irritieren, zumal die englische Definition „Metal“
doppeldeutig verwendet wird.

Tatsächlich geht es weniger um die Musik, sondern wahrnehmbare Geräusche per se. Dass der Schlagzeuger Ruben (Riz Ahmed) sein Gehör aufgrund zahlreicher Konzerte ohne Hörschutz verliert, ist nur der auslösende Moment der Geschichte, nicht jedoch das Thema.



Story:

Schlagzeuger und Ex-Junkie Ruben und seine Freundin Lou (Olivia Cooke) bilden das Duo der Sludge Band „Blackgammon“.

Mit bescheidenem Erfolg bereisen sie die USA in ihrem Van, spielen Konzerte, leben für sich selbst. Als Ruben jedoch 3/4 seiner Hörfähigkeit verliert, geschuldet durch mangelnden Hörschutz, ist es erstmal aufgrund Lous Intervention mit dem Touren vorbei. Eine Hörprothese würde ca. 50000 Dollar kosten, eine Summe, die sich Ruben nicht leisten kann. Trotz großer Einwände von seiten Rubens, organisiert Lou ihm einen Platz in einer Gehörlosengemeinschaft, abgeschottet von der Außenwelt. Zunächst hat Ruben Probleme sich zu integrieren, da er der Gebärdensprache nicht mächtig ist.

Nach und nach wird er aber ein essentieller Teil der Gemeinschaft, während Lou zu ihrem Vater nach Paris gezogen ist. Da Ruben aber nichtsdestotrotz sein Gehör wieder haben will und die therapeutischen Maßnahmen der Gruppe zumindest teilweise ablehnt, verkauft er Van und Equipment, um sich das Cochlea Implantat zu finanzieren.


Sound Of Metal Filmkritik
SOUND OF METAL © Courtesy of Amazon Studios

Film Kritik:

von Georg Reinke

Rubens Hörvermögen ist mit den Implantaten nicht mehr das gleiche, da alles blechern und metallisch verzerrt klingt. Er muss daher endgültig sein altes Leben zurücklassen.

Akustische Beklemmung

„Sound of Metal“ versteht es, dem Zuschauer ein unbeschreibliches Unbehagen zu bereiten. Nicht, weil es Mängel an der Inszenierung gäbe, sondern weil der Film es schafft, durch ein überdurchschnittlich gelungenes Sounddesign einen affektiven Alptraum zu genieren.

Wir befinden uns im akustischen POV Rubens, sprich wir hören das, was er hört. Das erzeugt einen derart klaustrophobischen Duktus, dass man sich unweigerlich der Frage ausgeliefert fühlt, wie man selbst mit einem Gehörverlust umginge. Ruben hört alles gedämpft, mit den Implantaten dann alles teils verzögert und eben metallisch verzerrt.

Nach Michel Chion gibt es das sogenannte akusmatische Wesen, also eine akustische Quelle, deren Ursprung nicht einer Figur zuzuordnen ist und eine gottähnliche weil allwissende Präsenz darstellt. In „Sound of Metal“ sind es die Störgeräusche selbst, die zu einem eigenständigen Wesen evolvieren und das Geschehen beeinflussen, ähnlich wie bei dem Film „Her“ Samantha es ist. Dieser subjektive Klang prägt den gesamten Film und ist ein stark in Szene gesetztes Element.


Sound Of Metal Filmkritik
SOUND OF METAL © Courtesy of Amazon Studios

Die Not der Veränderung

Doch letztendlich geht es thematisch vor Allem auch um die Veränderung, die Ruben durchmacht, bzw. durchmachen MUSS. Akzeptanz, Loslassen von Altem. Motive, denen sich in unterschiedlicher Ausprägung wahrscheinlich jeder Mensch mehr oder minder unterziehen muss.

Ruben verliert nicht nur seine Karriere, auch seine Freundin steht auf dem Spiel, jene, die ihn aus der Heroinsucht führte. Ruben lernt zwar den Umgang mit seiner Behinderung im Camp, doch letztlich ist es die Akzeptanz, die ihm fehlt. Umso stärker wirkt die symbolische Kraft der Abschlussszene, in der er auf der Parkbank sitzt und die Magneten an seinem Kopf löst, um nichts hören zu müssen. Entgegen der Annahme, der Film würde einen mit Gepolter durch die Story tragen, verwendet Autor und Regisseur Darius Mader hoch effektive metaphorische Elemente, um die emotionale Entwicklung Rubens zu symbolisieren.

Beispielsweise gibt es den Moment, in dem Ruben auf einer Rutsche mit
einem gehörlosen Jungen sitzt und auf der metallischen Rutschbahn einen Beat mit den Fingern anspielt, den auch der Junge hören kann. Nonverbale Kommunikationsweisen beschränken sich somit nicht nur auf Gebärdensprache, etwas, das Ruben erst sehr spät lernt.


Sound Of Metal
SOUND OF METAL © Courtesy of Amazon Studios

Riz Ahmeds beste Rolle

Neben den audiovisuellen Komponenten ist die Bildgestaltung ebenfalls ein Highlight. Die Kamera übersättigt den Zuschauer nicht durch ausufernde Landschaftsaufnahmen, sondern fängt gut akzentuiert akustische Bewegungen ein, wie das Rascheln von Blättern, Autogeräusche und so weiter.

Die kalte Farbgestaltung betont noch zusätzlich das empfundene Ohnmachtsgefühl, welches einen bis zum Ende des Films verfolgt, die Ausweglosigkeit und Einsamkeit. Dass Riz Ahmed sich gut auf den Film vorbereitet hat, lässt sich in jeder Sekunde erspüren.

Nicht nur die Fähigkeiten am Schlagzeug während des Expositionsteils, auch sein Aktionismus und die Reaktionen auf seine Gehörlosigkeit sind durchweg positiv zu vermerken. Ihm wurden spezielle Hörgeräte angefertigt, um das Gefühl der Taubheit auch auf ihn zu übertragen.


Sound Of Metal bei Amazon Prime
SOUND OF METAL © Courtesy of Amazon Studios

Die weiteren Castmitglieder wussten ebenfalls zu überzeugen, nennenswert wäre da noch Paul Raci als Joe, dem Gemeinschaftsleiter. Er erfüllt die Rolle des Mentors und der Leitfigur für Ruben außerordentlich gut.

Die Vaterrolle die er belegt ist der mitunter einzige Antrieb für Hoffnung im gesamten Film. Eine der stärksten Szenen ist die Unterhaltung zwischen ihm und Ruben, kurz bevor Ruben das Camp verlässt.


Film Kritik zu Sound of Metal
SOUND OF METAL © Courtesy of Amazon Studios

Fazit: Ein erschreckend nüchternes und bewegendes Drama, das die Perfektion auditiven Filmerlebnisses sucht – und auch erreicht. „Sound of Metal“ greift mit einem intimen Feingefühl viele thematische Stränge auf, die sich auf menschlicher und verständlicher Ebene tief in die Emotionswelt des Zuschauers trommelt. Abgesehen von einigen (aber sehr wenigen) Längen, ist der Film das Beste, was Amazon seit langem zu bieten hatte.

Wertung: 9 / 10


„Sound of Metal“ – Film Trailer

SOUND OF METAL © Courtesy of Amazon Studios