Story: Am 25. Februar 1964 feiert der 22-jährige Boxer Cassius Clay (Eli Goree) mit drei Freunden einen Sieg: Nation of Islam-Führer Malcolm X (Kingsley Ben-Adir), NFL-Legende Jim Brown (Aldis Hodge) und Soulsänger Sam Cooke (Leslie Odom Jr.). Alle vier standen an einem Scheideweg, und die Gespräche, die sie führten, sollten prägend sein.
Film Kritik:
von Ilija Glavas
„Eine Pyjama Party der Extraklasse im Gewand eines kleinen Meisterwerks „
Es gibt die Geschichten, die von Nachrichtenkameras aufgezeichnet, von Menschenmengen bezeugt oder in offiziellen Dokumenten festgehalten werden. Und dann gibt es alles andere, was jemals passiert ist.
In diesem weiten Raum von „Inspiriert von wahren Begebenheiten“, existiert „One Night In Miami“. Zuerst als preisgekröntes Theaterstück, jetzt als Film, und alles wurzelt in einer historischen Tatsache, die den Autor Kemp Powers einst reizte.
Nachdem er im Februar 1964 die Weltmeisterschaft im Schwergewicht gewonnen hatte, ging Muhammad Ali (damals noch Cassius Clay) nicht in die Stadt, um Champagnerkorken knallen zu lassen, wie man sich vielleicht vorstellen könnte. Er kehrte in sein Hotel zurück und verbrachte einen ruhigen Abend damit, sich mit Freunden zu unterhalten und Eiscreme zu essen.
Eine ganz normale Pyjamaparty! Nun, nicht ganz, denn diese Freunde waren keine namenlosen Außenseiter.
Das Zusammentreffen von Ali (Eli Goree), Jim Brown (Aldis Hodge), Sam Cooke (Leslie Odom Jr.) und Malcolm X (Kingsley Ben-Adir) ist das „Avengers Assemble“ der schwarzen Bürgerrechtsära, das sein dramatisches Potenzial aus dem individuellen Status jedes einzelnen Mannes, in dieser für sie alle entscheidenden Lebensphase ableitet.
Clay war nicht nur zum größten Boxer aller Zeiten aufgestiegen, sondern bereitete sich auch darauf vor, seinen Sklaven-Namen aufzugeben und seinen Übertritt zum Islam bekannt zu geben.
Eine Nacht mit vier Legenden in einem Raum
Cooke war eine gewinnbringende Musiksensation, mit dem unterdrückten Ehrgeiz, sein künstlerisches Können für den Aktivismus einzusetzen. Jim Brown fühlte sich zunehmend unwohl mit der Position schwarzer Athleten in der amerikanischen Kultur („Wir sind alle nur Gladiatoren, Cass, mit unserem Herrscher, der da oben in der Box sitzt“).
Und Malcolm X, der unter ständiger FBI-Überwachung stand, erwartete bereits seine eigene Ermordung. Innerhalb eines Jahres würden sowohl er als auch Cooke tot sein. Die zweifach Aufgabe von One Night In Miami ist es also, an unsere verinnerlichten Bilder von Ikonen anzuknüpfen, aber auch eine Realität zu erreichen, die weit darüber hinausgeht.
Niemand weiß, was diese vier Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in der Privatsphäre des Hotelzimmers besprochen haben, aber Kemp Powers hat scheinbar ein Gespür dafür.
Pyjama Party mit Tiefgang
Neben Pixars Animationsfilm Soul, ist dies der zweite Film des Jahres 2020, in dem er seine Fähigkeit unter Beweis stellt, erstaunliche phantasievolle Leistungen zu vollbringen, die in seiner eigenen Lebenserfahrung wurzeln.
Die Dialoge, manchmal brüderlich, manchmal bissig, oft beides, werden jedem ein Begriff sein, der schon einmal lange mit Freunden aufblieb, um die Welt in Ordnung zu bringen.
Und die Gesprächsthemen – Mut, Kompromisse und die soziale Verantwortung des Erfolgs, bleiben relevant für den andauernden Kampf für das, was Malcolm X einfach „Menschenrechte“ nannte.
Regina King ebnet den Weg für eine großartige Regie Karriere
Kemps Drehbuch, so überzeugend und plausibel es auch ist, hätte ohne die richtigen Darsteller wie eine kitschige Salonsitzung wirken können. Dennoch kann man die „Casting-Herausforderung“, die darin besteht, Schauspieler zu finden, die diesen viel beschriebenen Männern sowohl physisch ähneln als auch das Talent haben, sie zu verkörpern, auch überbewerten.
Wie eine Reihe von bahnbrechenden Filmen in jüngster Zeit verdeutlicht hat, gibt es keinen Mangel an talentierten jungen schwarzen Schauspielern. Es sind die Gelegenheiten, an denen es mangelt. Diese Gelegenheit wurde von der gesamten Besetzung enthusiastisch genutzt, wobei Goree’s ausgelassene Nachahmung von Alis Humor und dessen rhythmusbetontem Geplapper besondere Erwähnung verdient.
Wie man es von einer Frau erwarten würde, die erst letztes Jahr den Oscar für die beste Nebendarstellerin ( If Beale Street Could Talk ) mit nach Hause genommen hat, lässt Regina Kings Regie den Schauspielern Raum, um ihre beste Performance abzurufen, selbst in den begrenzten Proportionen eines Hotelzimmers.
Die Bühnen – zu – Leinwand Adaption ist gelungen
In der Tat ist es dieser Produktion gelungen, die unvermeidliche Bühnengebundenheit von Theater-zu-Leinwand-Adaptionen in eine kraftvolle Metapher für den von Rassentrennung geprägten Süden zu verwandeln. Selbst schwarze Männer, die so gefeiert werden wie diese vier, können sich nicht nach Belieben frei bewegen. Muahammad Ali ( damals noch Cassius Clan) musste nach seinem WM Kampf, die Arena unmittelbar verlassen, weil es ihm schlichtweg verboten war, sich nach Ende der Veranstaltung dort aufzuhalten.
Kings Regieleistung ist auch in anderer Hinsicht von Bedeutung. Die Tatsache, dass eine schwarze Frau auf dem Regiestuhl dieses Films sitzt, macht die fast völlige Abwesenheit schwarzer Frauen in der Geschichte selbst zu einer Art Präsenz.
Stille Anerkennung eines wichtigen Prozesses
Es fühlt sich an wie eine stillschweigende Anerkennung, dass das amerikanische Kino trotz des Fortschritts in Richtung einer facettenreicheren Darstellung der Gesellschaft noch nicht an einem Punkt angekommen ist, an dem es möglich ist, sich mit den Helden der Bürgerrechtsbewegung in ihrer ganzen menschlichen Komplexität auseinanderzusetzen.
Hier ist nicht die Zeit, um darüber nachzudenken, wie ein Mann gleichzeitig ein großer Anführer und ein Serien-Schürzenjäger, ein vernachlässigender Vater oder ein häuslicher Gewalttäter sein kann. Aber diese Zeit wird kommen.
Für den Wandel in der Welt zu arbeiten bedeutet, die Wahrscheinlichkeit zu akzeptieren, dass man bessere Tage nicht mehr erleben wird, aber dennoch daran zu glauben, dass, wie Sam Cooke es sang – der Wandel kommen wird.
Fazit: Ein Film kann nicht alle Geschichten erzählen und „One Night In Miami“ versucht es auch nicht. Während historische Dramen Genre-typisch in episch übergreifenden Zeiträumen spielen, offenbart der Fokus auf einen einzigen Abend eine ebenso tiefgründige Wahrheit.
Der Film ist grandios, voller denkwürdiger Darstellungen und zum Nachdenken anregender Gespräche und Argumente. Die Regie Leistungen von King und ihren Schauspielern sind noch beeindruckender, wenn man sich vor Augen führt, welche langen Schatten diese Männer werfen, sowohl in ihren realen Inkarnationen als auch in ihren bisherigen filmischen Darstellungen und Pop – Kulturellen Präsenz.
Das fühlt sich an, als sei man Zeuge der Entstehung von Geschichte, sowohl als lebendigen Einblick in das Innenleben historischer Persönlichkeiten als auch als Momentaufnahme einer zukünftigen großen Regisseurin, welche gerade erst am Anfang ihrer Karriere steht.
Wertung: 10 / 10