Inhalt: Mitglieder der Widerstandsgruppe „French 75“ stürmen das Otay Mesa Detention Center, ein ICE-Gefängnis an der Grenze zu Mexiko, und befreien in einem minutiös geplanten Angriff über 200 inhaftierte Migranten. Angeführt von kompromisslosen Aktivisten gelingt der Coup in wenigen Minuten – doch der brutale Gegenschlag der US-Marshals unter Colonel Steven J. Lockjaw (Sean Penn) hinterlässt tiefe Narben.
Sechzehn Jahre später: Der einst gefeierte Sprengstoffexperte Bob Ferguson, besser bekannt als „Ghetto Pat“ (Leonardo DiCaprio), ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Unter falschem Namen hat er sich in der Wüstenstadt Baktan Cross verkrochen. Ohne Telefon lebt er in ständiger Angst vor seinem alten Feind: Colonel Lockjaw, der nie aufgehört hat, ihn zu jagen.
Explosionen, Ideale und der „verdammte Spaß“
One Battle After Another beginnt mit einem Angriff, einem Hinterhalt, einer Ankündigung – und nimmt von da an kaum noch Tempo raus. Paul Thomas Anderson entfesselt ein wuchtiges Werk, das mit militanten Revolutionen, brutalen Verfolgungsjagden und emotionalen Zerreißproben gleichermaßen aufgeladen ist. Schon die erste halbe Stunde gleicht einer Anarchie–Explosion.
Es folgen zwei Stunden voller Turbulenzen, in denen Pat (Leonardo DiCaprio) sich durch Entführungen, Fluchtversuche und absurde Begegnungen kämpft. Dabei wird er von Benicio Del Toro als Sensei und Teyana Taylor als Perfidia Beverly Hills begleitet, die ein wandelnder Molotowcocktail und eine Brandstifterin des Chaos ist. Und doch ist es das Filmemachen selbst, das für Anderson den wahren Reiz ausmacht. Inspiriert von Thomas Pynchons gesellschaftskritischem Roman Vineland – oder zumindest Teilen davon – erfindet Anderson seinen eigenen großen amerikanischen Roman für das Kino.
Revolution, Einwanderung, Korruption, weiße Vorherrschaft: One Battle After Another greift die aktuelle Lage auf und verknüpft politische, soziale und familiäre Konflikte zu einem fiebrigen Epos, das zwar durchgehend unterhaltsam bleibt und niemals belehrend wirkt, doch an manchen Stellen zu lange verweilt.
Eine ganze Reihe von Außenseitern und Abtrünnigen bevölkert die Leinwand, fast alle von ihnen hoffnungslos verwirrt, getrieben von klaren Zielen, die im Verlauf der Geschichte immer wieder in sich zusammenfallen. Machtverhältnisse verschieben sich, Ideale werden in Frage gestellt, Loyalitäten lösen sich auf. Anderson zeigt, wie das Leben selbst Prinzipien in Frage stellt.
Figuren im Chaos der Veränderung
DiCaprio verkörpert Pat, einst Galionsfigur der Revolution „The French 75“, nun ein panischer Sprengstoffexperte, der nur noch eines will: seine Tochter Willa (Chase Infiniti) in Sicherheit bringen. In seiner Paranoia, eingehüllt in Rauchschwaden, bleibt er zugleich verletzlich und kompromisslos liebend. Seine Beziehung zu Willa ist das Herzstück des Films, getragen von Chase Infinitis erstaunlicher Leinwandpräsenz, die mit DiCaprio auf Augenhöhe agiert.
Neben den Figuren spielt auch Amerika selbst eine Hauptrolle. Anderson nutzt sein über 100 Millionen Dollar schweres Budget und VistaVision-Kameras, um das Land mit visueller Wucht abzubilden. Eine Verfolgungsjagd über die gefährlich geschwungenen Wüsten-Straßen wird zum reinen Kinoerlebnis: schroffe Klippen, drohendes Unheil in jeder Kurve und hinter jeder Kuppe. Die Landschaft selbst als Verkörperung des Todes. Anderson arbeitet hier mit einer Intensität, die sich über zwei Jahrzehnte entwickelt hat.
Themen wie Familie, Vaterschaft und gesellschaftliche Brüche, die bereits in Boogie Nights, Magnolia oder The Master mitschwingen, finden in One Battle After Another ihre wohl explosivste Ausarbeitung.
Fazit: One Battle After Another ist mehr als nur ein Film: Es ist ein politisch- cineastisches Manifest. Mit Leonardo DiCaprio in Höchstform, einem Ensemble voller exzentrischer Figuren und Paul Thomas Andersons kompromissloser Handschrift entfaltet sich ein Epos, das gleichermaßen unterhält wie verstört.
Film Bewertung 9 / 10