Inhalt: Österreich, Mitte der 1920er Jahre: Aus großer Not heraus übergibt die Bergbauernfamilie Streitberger ihren jüngsten Sohn in die Obhut eines Großbauern. Auch als Franz (SIMON MORZÉ) die Knechtschaft mit Erreichen der Volljährigkeit aufkündigen darf, kann er dem Vater (KARL MARKOVICS) nicht verzeihen. Auf der Suche nach Arbeit schließt er sich dem Bundesheer an.
Unter seinen geselligen Soldatenkameraden bleibt der sensible, wortkarge Franz stets ein wunderlicher Außenseiter. Als die Kompanie 1940 den Angriff auf Frankreich starten soll, findet er im Wald einen verletzten Fuchswelpen. Kurzerhand beschließt Franz, sich des verlassenen Tieres anzunehmen und es gesund zu pflegen. Angetrieben durch die Zuneigung zu seinem Fuchs, tritt er als Motorradkurier die gefährliche Reise an die Front an.
„Der Fuchs“ des österreichischen Regisseurs Adrian Goiginger basiert auf dem Leben seines Urgroßvaters Franz Streitberger und führt vor Augen, wie prägend doch die Kindheit ist.
Wenn man bedenkt, dass dieser Film größtenteils während des 2. Weltkriegs spielt und der Protagonist als Kurier an die Front geschickt wird, ist der Kontrast zwischen den geweckten Erwartungen und dem Gezeigten markant. In „Der Fuchs“ geht es nicht um Kriegstraumata, sondern um Kindheitstraumata, die so schwerwiegend sind, dass sie eine Person für immer prägen.
War Sailor ist ein Kriegsfilm mit Fokus auf die Konsequenzen für Familie und Freundschaft
Die ersten Minuten des Films sind im Grunde die wichtigsten: Hier wird Franz Streitbergers (Simon Morzé) Kindheit porträtiert. Als Sohn eines Bergbauers wächst der kleine Franz (Max Reinwald) in armen Verhältnissen auf. Notgedrungen gibt der Vater (Karl Markovics) ihn als Knecht an einen reicheren Bauern ab. Eine schonungslose Trennung der familiären Wurzeln, die den Jungen für den Rest seines Lebens prägt.
Er wächst zu einem sehr introvertierten jungen Mann heran, der nach seiner Volljährigkeit dem österreichischen Bundesheer beitritt und im Jahr 1938 zur Wehrmacht eingezogen wird. Von da an dient er als Motorradkurier. Als er auf einen verletzen Fuchswelpen trifft, dessen Mutter verstorben ist, entschließt er sich dazu, den Fuchs zu versorgen. Seine Kameraden, der Krieg, einfach alles spielt von da an eine untergeordnete Rolle für ihn.
Die Flucht in die Natur
„Der Fuchs“ zeigt so gut wie keine Gefechte. Gräueltaten des 2. Weltkriegs werden nur sporadisch verbildlicht, indem Leichen zu sehen sind – aber auch hier nur dezent, mit vereinzelten Körpern, die am Wegesrand liegen oder im Meer treiben. Im Fokus stehen Franz und sein ganz persönlicher Kampf.
Unter seinen Kameraden wirkt er wie ein Fremdkörper, der nicht hineinpasst. Die Bindungsangst, resultierend aus seinen Kindheitserfahrungen, äußert sich deutlich. Meist meidet er die Nähe der anderen Soldaten und steht abseits – oft sogar buchstäblich im Wald. Er wird häufig missverstanden. Erst als er den kleinen Fuchswelpen findet, geht er eine tiefere Beziehung ein und ordnet dem Wohl des Tieres alles andere unter. Er geht sogar das Risiko ein, der Desertation beschuldigt zu werden.
Close schafft es, sich trotz einer erschütternden Geschichte seinem Publikum anzunähern
Sein neuer Schützling führt ihn zu einer Begegnung, die in einem klassischen Kriegsfilm in eine Romanze gemündet hätte. Als der kleine Fuchs sich im besetzten Frankreich in einen Bauernhof schleicht, versucht Franz ihn davon abzuhalten, den hiesigen Hühnern hinterherzujagen. Die ansässige Französin Marie (Adriane Gradziel) hält Franz zunächst für einen gefährlichen Eindringling.
Doch recht schnell nähern sich die beiden trotz Sprachbarriere an. Aber auch hier werden Franz‘ zwischenmenschliche Defizite deutlich. Während seiner Zeit an der Front schreibt er immer wieder an einem Brief an seinen Vater weiter, schickt diesen aber nicht ab. Als Marie das aus gutgläubigen Motiven für ihn unternimmt, ist Franz außer sich vor Wut und ihre Wege trennen sich.
Es scheint so, als könnte Franz keine gesunde Bindung zu anderen Menschen aufbauen. Bei Tieren fällt es ihm leichter. Schon in der Anfangs-Sequenz seiner Kindheit wirkt er an einem Käfer sehr interessiert. Das wiederholt sich nochmal in der Mitte des Films – erneut ist es ein Käfer, mit dem er gegen seine Einsamkeit ankämpft.
Verträumte Darstellung
Die Kamera bleibt oft nah an Franz dran. Hier kann Morzé mit feiner Mimik die Emotionen des Protagonisten gekonnt ausdrücken. Viele Worte verliert er nicht, doch erkennt der Zuschauer trotzdem das Unbehagen des jungen Mannes im Kontakt mit seinen Mitmenschen – und gleichzeitig diese befreite Freude, wenn er mit seinem Fuchs spielt. Dabei wirkt er fast wieder wie ein kleines Kind. Ein unbeschwertes Kind, das er zuvor nie sein durfte.
Im Westen Nichts Neues ist episch und grausam gleichermaßen
In manchen Szenen versucht Goiginger Bilder zu erzeugen, die märchenhaft wirken und sich vom Rest abheben. Das klappt ganz gut, aber nicht immer. Hier und da wirken diese Szenen etwas zu prätentiös, wenn Sonnenstrahlen plötzlich das Bild fluten. Highlights sind jedoch immer wieder jene Passagen zwischen Franz und dem Fuchs. Die Bindung zwischen Mensch und Tier ist offensichtlich, ohne dass dabei der Fuchs vermenschlicht wird. Die Musik von Arash Safaian drängt sich dabei nie auf. Allerdings bleibt die musikalische Untermalung fast schon zu blass, sodass man sich als Zuschauer kaum noch an sie erinnert.
Fazit: Wer in „Der Fuchs“ mit der Erwartungshaltung an einen Kriegsfilm geht, wird enttäuscht sein. Lässt man sich allerdings auf die Reise eines jungen Mannes ein, dessen Inneres zerrüttet ist und scheinbar Heilung in einem Fuchs gefunden hat, dann bietet dieser Film eine emotional aufgeladene Geschichte mit Höhen und Tiefen. „Der Fuchs“ fängt sehr stark an, kann dieses Niveau aber leider nicht den kompletten Film über halten.
Film Bewertung: 7 / 10