Genre: Krimi / Mystery | Produktion: USA 2022 | Laufzeit: ca. 130 Minuten | Regie: Scott Cooper
Mit: Christian Bale, Harry Melling, Timothy Spall, Simon McBurney, Gillian Anderson u.a
Inhalt: West Point, New York, 1830. Als ein Kadett der aufstrebenden Militärakademie mit einem herausgeschnittenen Herz erhängt aufgefunden wird, beauftragt die oberste Leitung den ehemaligen New Yorker Polizisten Augustus Landor (Bale) mit den Nachforschungen. Bei dem Versuch, das grausame Rätsel zu lösen, nimmt der widerwillige Detektiv die Hilfe eines der Kadetten in Anspruch: eines sonderbaren, aber brillanten jungen Mannes namens Edgar Allan Poe (Melling).
Da der Whodunnit mit Filmen wie Glass Onion, See How They Run und Death On The Nile ein Comeback erlebt, ist die Zeit sicherlich reif für einen Krimi, in dem der Erfinder des Genres selbst eine Rolle spielt.
Allerdings gehen weder Louis Bayards Originalroman The Pale Blue Eye von 2006 noch diese stimmungsvolle Verfilmung von Scott Cooper (Crazy Heart, Hostiles) so weit, Edgar Allan Poe zum Haupt-Detektiv zu machen. Vielmehr ist er der rekrutierte Handlanger: teils Assistent, teils Beobachter, teils möglicher Verdächtiger.
Das gibt Cooper (wie auch Bayard) die Möglichkeit, Poe-ähnliche Elemente in die Erzählung einzubauen, vor allem, wenn man bedenkt, dass wir ihn als jungen Mann kennenlernen (Harry Melling), der von den makabren Ereignissen während seiner Zeit in West Point gezeichnet ist.
Mangelndes Taktgefühl ist kein Ersatz für Charisma
Im Mittelpunkt steht jedoch Christian Bale als Augustus Landor: ein mürrischer Kerl mit einem soliden Ruf als Polizist in New York City, der jetzt im Ruhestand ist und aus West Point stammt. Er ist trinkfreudig, seit kurzem Witwer und hat eine vermisste Tochter, was seine Stimmung noch düsterer und frostiger macht als die winterliche, Gothic-artige Umgebung.
See How They Run bietet viele Lacher, eine Menge Stil und eine erstklassige Besetzung
Das ist der Punkt, an dem das anfängliche Versprechen von Der Denkwürdige Fall Des Mr Poe zu bröckeln beginnt. Bale hat mit Cooper bereits in Out Of The Furnace und Hostiles großartige Arbeit geleistet, aber Landor ist einfach kein besonders interessanter Protagonist. Im Gegensatz zu Benoit Blanc oder dem von Branagh dargestellten Poirot hat er kein Flair, keinen Charme, keine einnehmenden Macken oder einen besonderen Ermittlungsstil.
Er grinst, ist mürrisch und legt sich mit seinen Arbeitgebern (den starken, aber fehlplatzierten Briten Timothy Spall und Simon McBurney) an. Mangelndes Taktgefühl sollte man nicht mit einer Persönlichkeit verwechseln.
Harry Melling überzeugt als Mr. Poe
Dafür entschädigt Melling, der für die nötige Würze sorgt und sogar einen unverschämten, an Benoit Blanc erinnernden Akzent ( sofern man den Film in seiner Original Version ansieht) an den Tag legt (obwohl Poe aus Boston stammte).
Nach seinen vielversprechenden Auftritten in The Ballad Of Buster Scruggs und The Devil All The Time ist dies Mellings eigentlicher Durchbruch, denn er schafft das Kunststück, den jungen Poe so attraktiv wie eigenartig, so sympathisch wie arrogant zu machen.
Aber selbst er kann den Film nicht zusammenhalten, da die Geschichte schließlich in das Gebiet des Okkulten abgleitet, mit einer Gillian Anderson mit Haube und Hasenzähnen, die scheinbar aus einem längst vergessenen Film der Coen-Brüder stammt, in der Rolle der verstörten Mami eines West Point-Bengels.
Ein solider Kriminalfilm mit einer netten literarischen Note
Der Höhepunkt ist ebenso blutig wie lächerlich, und die finale Enthüllung will nicht so recht gelingen. Das „Wer“ in diesem Whodunnit kann in Bezug auf das „Warum“ und das „Wie“ nicht überzeugen.
Aftersun ist eine gekonnt inszenierte, einfühlsame und ehrliche Charakterstudie
Vielleicht hilft es, sich den Film noch einmal anzuschauen, aber es ist unwahrscheinlich, dass man sich dazu animiert fühlen wird.
Fazit: Ein ansprechender Kriminalfilm mit einer netten literarischen Note und einer beeindruckenden Leistung von Harry Melling, der jedoch durch die Düsternis seines Protagonisten und die unglaubwürdigen Enthüllungen getrübt wird.
Film Bewertung: 5 / 10