Regie: Scott Cooper | Produzent: Guillermo del Toro | Deutscher Kinostart: 28. Oktober 2021 | Gerne: Horror / Thriller | Laufzeit: ca. 100 Minuten | FSK: Ab 16 Jahren
Inhalt: Die wissbegierige Lehrerin Julia (Keri Russell) vermutet, dass ihr junger Schüler Lucas (Jeremy T. Thomas) zu Hause misshandelt wird, was Erinnerungen an ihre eigene schwierige Kindheit weckt.
Als sie zusammen mit ihrem Bruder, dem Sheriff (Jesse Plemons), Nachforschungen anstellt, finden sie heraus, dass Lucas in Wirklichkeit ein schreckliches, übernatürliches Geheimnis verbirgt.
Hut ab vor Scott Cooper. Die meisten seriösen Filmemacher würden es nicht wagen, eine Abzweigung in die Welt der Monsterfilme zu nehmen.
Aber mit Antlers zaubert der Autor und Regisseur, der eher für seine Countrysänger-Geschichte Crazy Heart und den Western Feinde – Hostiles aus dem Jahr 2017 bekannt ist, einen ausgesprochen vermenschlichten Gruselfilm, der auch vor Eingeweiden und gehörnten Monstern nicht zurückschreckt. Als Filmemacher mit einer Vorliebe für die Auseinandersetzung mit amerikanischer Kulturgeschichte richtet Cooper hier seine Aufmerksamkeit auf verwahrloste Industriegemeinden.
Das zentrale Kind Lucas (ein hervorragender Jeremy T. Thomas) ist ein unter Armut leidender Jugendlicher, der in einer verfallenen Stadt in Oregon lebt, in der es so gut wie keine Arbeit mehr gibt. Seine Rolle fügt sich nahtlos in die Tradition des ausführenden Produzenten Guillermo del Toro ein, bei der Kinder die Nöte der Welt durch eine übernatürliche Perspektive erleben (siehe Pans Labyrinth).
Lucas muss sich mit dem Drogenmissbrauch seines Vaters Frank (Scott Haze) auseinandersetzen und wird bald mit noch schlimmeren Schrecken konfrontiert, nachdem sein Vater in der örtlichen Kohlenmine eine erschreckende Verwandlung erlebt.
Mythologie und Sozialkritik
Er kümmert sich um seinen zunehmend emotional instabileren Vater und hat panische Angst vor ihm. Seine Lehrerin Julia (Keri Russell) vermutet, dass er zu Hause misshandelt wird, da sie in ihrer eigenen Kindheit ebenfalls Opfer von Übergriffen wurde.
Cooper verbindet geschickt die alltäglichen Schrecken von Verwahrlosung und Sucht mit seinen Metaphern-haften Bestien. Entstanden ist ein düsterer, sich langsam entwickelnder Film, der teils Monsterfilm, teils psychologisches Drama, teils schnörkelloses Gruselfest ist. Er beeindruckt durch die atmosphärische Schilderung einer düsteren, hoffnungslosen Existenz.
Allerdings übertreibt Cooper hier ein wenig. Durch die Bezugnahme auf ein bestimmtes Element der indianischen Mythologie fühlen sich die Themen des Anti-Kolonialismus oft übertrieben an und werden mit der Kritik des Films an der Art und Weise, wie der Kapitalismus Gier und Ungerechtigkeit antreibt, vermischt.
Auch wenn die beiden Ansätze in gewisser Weise miteinander verknüpft sind, fühlt sich Antlers bei seiner Auseinandersetzung mit ländlichen Gemeinden der weißen Arbeiterklasse klarer an als bei seinen Bemühungen um die gewaltvollen Anfänge der amerikanischen Gesellschaft.
Schaurige Atmosphäre und düstere Normalität
Er lässt dem Thema nicht ganz den nötigen Raum. Und obwohl das bewusst schleppende Tempo größtenteils funktioniert, hat man als Zuschauer oft das Gefühl, dass man den Figuren einige Schritte voraus ist, wenn es darum geht, zu verstehen, was eigentlich passiert. Das ist oft frustrierend.
In Sachen Monstereffekte verzichtet Cooper allerdings nicht auf ein paar Tricks. Die Kreatur Effekte sind äußerst krass, mit einigen schmerzhaften Verwandlungssequenzen, die vom Kameramann Florian Hoffmeister stilvoll eingefangen wurden und dem Publikum genau das richtige Maß an Albträumen vermitteln. Die Story um Kinder, Korruption und die Mythologie der amerikanischen Ureinwohner in einer amerikanischen Kleinstadt hat etwas King’sches an sich.
Fazit: In Kombination mit Coopers souveräner Regie und del Toros Verständnis für übernatürliche Phänomene entsteht so eine gelungene Mischung aus schauriger Atmosphäre und düsterer Normalität. Antlers bietet düstere Effekte und eine gelungene langsame Erzählweise. Die Monstermetaphern treffen jedoch nicht immer ins Schwarze. Film Bewertung 6 / 10