Inhalt: Bologna, 1858: Im Auftrag des Papstes dringen Soldaten in das Haus der Familie Mortara im jüdischen Viertel der Stadt ein. Sie erheben Anspruch darauf, Edgardo, den siebenjährigen Sohn der Mortaras, mitzunehmen. Als Säugling wurde der Junge heimlich von seiner Amme getauft – in diesen Fällen gilt das damals unumstößliche päpstliche Gesetz: Edgardo muss eine katholische Erziehung erhalten.
Die verzweifelten Eltern tun alles, um ihren Sohn in die Familie zurückzuholen. Unterstützt von der Öffentlichkeit und der internationalen jüdischen Gemeinde, nimmt der Kampf der Mortaras schnell eine politische Dimension an. Doch die Kirche und der Papst stimmen der Rückgabe des Kindes nicht zu und nutzen den Fall, um ihre zunehmend schwankende Macht zu festigen.
Film Kritik
Das eigene Kind geraubt im Namen religiöser Verblendung und menschlicher Ignoranz. Die italienisch-französisch-deutsche Koproduktion „Die Bologna-Entführung“ erzählt eine Geschichte, in der persönliche Tragödien hinter machtpolitischen Interessen zurückgestanden haben. Das erfreuliche gleich vorweg: „Die Bologna-Entführung“ ist hervorragend gefilmt und sieht fantastisch aus.
Die Kamera-Arbeit, die authentischen Kostüme und die historische Kulisse müssen den Vergleich mit besseren Hollywood-Produktionen nicht fürchten und machen richtig Spaß. Doch stellt sich dann natürlich sofort die Frage, inwieweit ein Film mit solch bedrückendem Inhalt überhaupt „Spaß“ machen kann, darf und soll.
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Im jüdischen Viertel von Bologna, Mitte des 19. Jahrhunderts, dringen unvermittelt päpstliche Soldaten in das Wohnhaus der kinderreichen Familie Mortara ein und erklären, sie müssen den siebenjährigen Sohn Edgardo mitnehmen.
Die knappe Begründung: Aus Unterlagen gehe hervor, dass Edgardo irgendwann in seinem Leben heimlich getauft worden sei. Somit gilt er offiziell als Christ und muss auch christlich erzogen werden. Edgardos Eltern stehen hilflos daneben und müssen es
geschehen lassen.
Gräueltaten im Namen des religiösen Fundamentalismus
Es beginnt ein öffentlichkeitswirksames Tauziehen um den Jungen. Während die verzweifelten Eltern schlicht und einfach ihren geliebten Sohn unbedingt zurückhaben möchten, sind die Motive von Papst Pius IX. (Paolo Pierobon) zunächst nicht ganz klar.
Wieso dieser vergleichsweise hohe Aufwand um einen beliebigen bürgerlichen Knaben? Bald wird deutlich: Hier tobt gewissermaßen ein Stellvertreter-Krieg. Auf dem Spiel steht der Allmachtsanspruch des Klerus, dessen Einfluss auf weltliche Geschicke bereits zu bröckeln beginnt. Die schauspielerischen Leistungen rund um dieses familiäre Drama lassen dem Zuschauer während der ersten Filmhälfte das Blut in den Adern gefrieren. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Drehbuch nicht fiktiv ist, sondern einen authentischen Fall behandelt.
Die Entführung von Edgardo Mortara schlug ab 1858 tatsächlich hohe Wellen in der internationalen Presse und bei der Frage nach den Autoritäten der katholischen Kirche. Ein weiterer Eintrag in einer langen und traurigen Liste von Gräueltaten, die Menschen im Namen des religiösen Fundamentalismus begangen haben.
Fantastische Schauspieler-Leistungen – mit wenigen Ausnahmen
Der gewissermaßen dokumentarische Anspruch unterscheidet „Die Bologna-Entführung“ dann auch in mehrerlei Hinsicht von handelsüblichen Historien-Filmen. Zugunsten der Authentizität und der Darstellung von Standpunkten und Argumenten muss jegliche künstlerische Dramaturgie im Drehbuch zurückstehen.
In den besseren Szenen tut dies der emotionalisierenden Wirkung keinen Abbruch – etwa, wenn Marianna Mortara (Barbara Ronchi) ihren Sohn erstmals nach der Entführung wieder zu sehen bekommt und dieser sich vollkommen befremdlich verhält. Oder wenn ein Jurist dem Vater Momolo (Fausto Russo Alesi) nach einem Urteilsspruch erklärt, der Junge verbleibe zwar weiterhin im Vatikan, doch die Anklage des Inquisitors sei ein wichtiger Teilerfolg.
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Aus dem Gesicht Russo Alesis schreit es hier unmissverständlich: Was bedeutet einem Vater ein juristischer Teilerfolg, und habe er historisch noch so hohe Tragweite, gegen ein weiteres Jahr ohne den eigenen Sohn? Wurde hier das Spannungsfeld zwischen politischem Rahmenkonflikt und persönlichem Schicksal noch hervorragend vermittelt, so gelingt dies im vermeintlich emotionalen Höhepunkt weniger gut.
Nämlich als der mittlerweile erwachsene und über Jahre katholisch perfundierte Edgardo (Leonardo Maltese) auf seinen älteren Bruder trifft, der als königlicher Soldat in das Priesterseminar eindringt, und Edgardo befreien will.
Nicht nur das Setting könnte einem Groschenroman entliehen sein – auch die beiden Charaktere wirken wie sprechende Litfaßsäulen, die lediglich eine narrative Funktion haben. Auch mit besserer Darstellung hätten die beiden Schauspieler die in dieser Szene zu hölzerne Drehbuch-Schreibe nicht retten können.
In diesen Momenten erinnert der Spielfilm doch ein wenig zu sehr an eine ARTE-Dokumentation (der deutsch-französische Sender ist übrigens an der Produktion beteiligt), was den Zuschauer aus der filmischen Welt herauszieht. Vergleichbare Abzüge in der B-Note müssen für einige aktionsgeladenen Szenen verteilt werden, in denen der obige Hollywood-Vergleich relativiert werden muss.
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Wenn in den Straßen von Bologna der Laizismus ausgerufen wird, dann hätten doch mehr als 80 einheitlich kostümierte Komparsen aufgestellt werden dürfen. Gleiches gilt für den Vormarsch der königlichen Armee, die doch etwas knapp aufgestellt wird, um den Kirchenstaat zu Fall zu bringen.
Fazit: Sowohl die dokumentarischen als auch die dramaturgischen Aspekte dieses Films sind äußerst wissens- beziehungsweise sehenswert wie auch zeitlos aktuell. Lediglich die Mischung aus Dokumentation und Drama lässt vereinzelt den Erzählfluss stocken.
Film Bewertung 7 / 10