Regie: Dominic Cooke | Drehbuch: Tom O´Connor | Kinostart: 01.07.21 (Deutschland) | Laufzeit: 112 Minuten
Story: Der kalte Krieg bestimmt das politische Weltgeschehen, sowohl die UDSSR als auch die USA stehen kurz vor der Auslösung des nuklearen Holocausts und mittendrin der Geschäftsmann Greville Wynne (Benedict Cumberbatch).
Er ein Durchschnittstyp; mittleres Alter, nicht sehr sportlich, Kind und Frau; also genau das Gegenteil eines James Bonds. Genau deswegen erkort das MI6 in Kooperation mit der CIA ihn aus, um als verdeckter Muli Informationen vom russischen Insider Oleg Penkovsky über das sowjetische Militärgeschehen in den Westen zu transferieren.
Anfangs widerwillig und verängstigt, stimmt Wynne dem Unterfangen zu und entwickelt eine innige Freundschaft zu Penkovsky. Während die Schlinge des KGB sich immer enger um den Hals von Wynne und Penkovsky zieht, kriselt Grevilles Ehe zunehmend aufgrund seiner unter strengster Geheimhaltung unterlegenen Spionageaktivitäten.
Film Kritik:
von Georg Reinke
Statischer Plot
Kurios ist die Geschichte allemal, die auf wahren Fakten beruht, die Faszination fällt jedoch dem relativ konservativen Storytelling zum Opfer. Der pragmatische Erzählstil macht den Film nicht schlecht, wertet ihn aber auch nicht auf. Die Eheprobleme werden lapidar eingebettet und lassen Tiefe, bzw. einen wirklichen Konflikt missen. Mangelnder Raum wird durch Exposition lethargisch abgedichtet.
Eine gewisse Kompromisslosigkeit haftet dem gesamten Film an, auf die Minute genau lassen sich die dramaturgischen Paradigmen exzerpieren. Dadurch wirkt „Der Spion“ teils blutleer und artifiziell. Wie erwähnt, der Film ist nicht schlecht, aber wagt eben auch nichts, was in Anbetracht des tollen Casts sehr schade ist.
Cumberbatch überzeugt ohne Cape
Besonders Cumberbatch beweist nach langer Zeit wieder seine Wandlungsfähigkeit. Explizit die Darstellung seiner Inhaftierung bleibt im Kopf, seine körperliche Transfiguration weiß zu erschrecken und zu überzeugen. Die Hilflosigkeit, der Frust und die Angst wird fabelhaft transportiert.
Seine Frau Sheila (Jessie Buckley) deutet ihr Talent indes nur an, denn der Film lässt ihr praktisch keinen Platz. Schade, denn sie erfährt in den letzten Jahren einen gewaltigen Karriereschub und das auch eben zurecht. Der Nebencast funktioniert auch, es bleibt aber abgesehen von Merab Ninidze kaum jemand wirklich in Erinnerung.
Die Musik macht die Musik
Inszenatorisch kann man dem Agentenfilm keinen Vorwurf machen. Klaustrophobische Hinterzimmer und Betonbauten verbildlichen effizient den paranoiden Gemütszustand der Zeit. Effektiv allemal, doch eben auch hier wieder nur Durchschnittsware. Gleiches gilt für das Kostümdesign, welches die Zeit pointiert herausdestilliert, doch ebenfalls ohne nennenswerten Nachgeschmack zurücklässt. Visuell wirkt „Der Spion“ wie eine profan gelungene Pflichtarbeit.
Leider langweilen die repetitiven Settings nach einiger Zeit auch. Was die Stimmung aber hebt ist der Score, der an native russische Kompositionen von Tchaykovsky angelehnt ist. Auch Walzer im Stile Schostakowitschs wurden vom Filmkomponisten Abel Korzeniowski geschrieben. In Erinnerung bleibt die Ballettszene, die gepaart mit Cumberbatchs emotionalem Ausbruch eine der Ehrlichsten des gesamten Films ist.
Fazit: Es braucht keinen actiongeladenen und übersättigen Spionagethriller, um das Genre des Agentenfilms zu bereichern. „Bridges of Spies“ oder „Das Leben der Anderen“ dokumentieren auch durch einen ruhigeren Tonus die lauernde Gefahr des Überwachungsapparats.
Aber mehr Wagemut in der Inszenierung, dramaturgische Abweichungen und Reduktion schablonenartiger Dialoge würden positiv zum Schauerlebnis beisteuern. Einzig Cumberbatch bleibt im Gedächtnis, der eine sympathische und gefühlvolle Fußnote hinterlässt. Seit „The Imitation Game“ seine gelungenste Beisteuerung. Wertung: 6/10