Inhalt: Beim Versuch, ihr von Problemen geplagtes Leben hinter sich zu lassen, kehren Zwillingsbrüder (Jordan) in ihre Heimatstadt zurück, um dort einen Neuanfang zu wagen. Doch schon bald müssen sie feststellen, dass bei ihrer Rückkehr ein noch größeres Übel auf sie wartet.
Blues, Blut und Biss
Wir haben Vampire schon als Metapher für Sünde, Sexualität oder gar den mormonischen Glauben gesehen. Jetzt bringt Ryan Coogler eine neue, faszinierende Lesart auf die Leinwand: Vampire als Kolonialisten – ewige Jäger auf der Suche nach dem göttlichen Funken in anderen Menschen. Das Ergebnis wirkt wie ein Deep-South-Vampir-Musical, und falls das bereits schräg klingt, habt ihr noch längst nicht alles gesehen.
Michael B. Jordan spielt die Zwillingsbrüder Smoke und Stack, die nach Jahren als Soldaten und Gangster zurückkehren, um einen Laden mit dem Namen Juke Joint zu eröffnen. Sie bewegen sich mit einer Mischung aus Stolz und Anspannung durch die Szenerie – Männer, die schon getötet haben und es wieder tun würden, wenn es nötig wäre.
Ihr junger Cousin „Preacher Boy“ Sammie (gespielt vom beeindruckenden Newcomer Miles Caton), gerade dem Teenageralter entwachsen und ein begnadeter Blues-Musiker, stößt zu ihnen. Auch Smokes Ex Annie (Wunmi Mosaku), eine Köchin und Voodoo-Priesterin mit tiefem Verständnis für das Übernatürliche, ist Teil des Ensembles. Ebenso dabei: Stacks Ex Mary (Hailee Steinfeld), die noch immer an ihrer gescheiterten Beziehung festhält, und der erfahrene Musiker Delta Slim (Delroy Lindo).
Die Bühne scheint bereitet – bis eine Gruppe Vampire um den Iren Remmick (Jack O’Connell) auftaucht und alles aus den Fugen gerät. Remmick – inklusive irischem Jig-Tanz, was für einen Vampir durchaus ein Novum ist – bleibt als Antagonist, nicht nur optisch – eher blass. Der Versuch, ihn als Opfer von Kolonialismus und religiöser Indoktrination zu zeichnen, will nicht wirklich funktionieren, wenn er nun selbst versucht, dieselbe Instrumentalisierung zu übernehmen, gegen die er einst rebellierte.
Vampire, Kolonialismus und musikalische Erlösung – ein Genre-Mix voller Tiefgang und Stil
Coogler lässt sich Zeit mit dem Aderlass. Abgesehen von einem kurzen Prolog spielt sich die erste Stunde wie ein hochwertiges HBO-Drama ab. Er baut behutsam seine Welt auf – geprägt von den langen Schatten der Sklaverei, wirtschaftlicher Ungleichheit und einem Süden, in dem Menschen noch immer auf „Plantagen“ leben und mit sogenannten „Plantation Bucks“ statt echtem Geld bezahlt werden. Häftlinge schuften am Straßenrand, Baumwollpflücker stehen im Morgengrauen auf, und der Mann, der den Brüdern ihren Club verkauft, ist mutmaßlich ein Klan-Mitglied.
Doch inmitten dieser düsteren Realität bietet die Musik einen Ausweg. Sie ist Rückzugsort, Ausdruck von Identität und Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft. In einem ebenso sonderbaren wie bewegenden Set-Piece macht Coogler dies auf poetische Weise sichtbar. Doch wie bei allem in einer ungleichen Gesellschaft laufen auch die musikalisch oder metaphysisch Begabten Gefahr, von monströsen Mächten regelrecht zerfleischt zu werden. Visuell und akustisch greift Coogler tief in die Trickkiste: Neben Ludwig Göranssons bluesgetränktem Score hören wir in manchen Szenen die Musik zu den Geschichten, die erzählt werden – ganz ohne Rückblenden oder begleitende Bilder. Diese stilistische Lücke erzeugt eine beklemmende Spannung, die unter die Haut geht.
Trotz der emotionalen Wucht und künstlerischem Mut bleiben manche Figuren am Ende zu wenig beleuchtet, wenn der finale Ausbruch aus Blut, Zähnen und Flammen beginnt. Doch bei einem Film, der so originell, bewusst unkonventionell und visuell beeindruckend ist, wäre es fast unangebracht, nach klassischen Erzählregeln zu verlangen.
Fazit: Ein eigensinniger, thematisch vielschichtiger Twist auf den Vampirmythos – ungewöhnlich getaktet, aber großartig gespielt. Ein Film, an dem man sich im besten Sinne die Zähne ausbeißt. Film Bewertung 8.5 / 10
