MIT DER FAUST IN DIE WELT SCHLAGEN

Inhalt: Die beiden Brüder Tobi (Camille Moltzen) und Philipp wachsen in den frühen 2000er Jahren in einer ostdeutschen Provinz auf. Zwischen dem neuen Zuhause, Marke Eigenbau, und dem zerrütteten Verhältnis der Eltern müssen sie sich ihren Weg alleine durch das Leben schlagen. Dabei begegnen ihnen die Trostlosigkeit des Ortes mit ganz eigenen Herausforderungen. Immer wieder werden sie mit der Vergangenheit ihrer Eltern konfrontiert, vor allem mit der des Vaters, der zunehmend in seiner Alkoholsucht versinkt. Als Philipp dann Freundschaft mit ein paar älteren Jungs schließt, die Hakenkreuze auf Steine und Wände malen, ist der Konflikt vorprogrammiert.

FILM KRITIK

Ein vielversprechender Titel, der großes deutsches Kino suggeriert, aber möglicherweise gerade deshalb die hohen Erwartungen nicht erfüllen kann. Constanze Klaue hat sich für ihr Kinodebüt den gleichnamigen Roman ausgesucht, doch vielleicht erreicht der Film dadurch nicht das, was der Roman vermutlich deutlich besser zu erzählen vermag. Der Film wirkt sehr abgekürzt, vor allem durch die vielen kleinen Zeitsprünge, die oft nicht einmal angesprochen werden. Immer wieder werden Wochen, Monate oder sogar Jahre zurückgelegt, um zur nächsten, für die Handlung wichtigen Szene zu gelangen. Dabei verliert man gelegentlich den Überblick über die Konflikte, die der Film gerade entwickelt hat.

Diese Konflikte bleiben im luftleeren Raum hängen – zum Beispiel, als die Mutter die beiden Kinder mit einer der Waffe des Vaters erwischt. Auch die Tatsache, dass der Familienvater wieder zum Alkohol greift oder eine Affäre mit der Nachbarin eingeht, wird nicht weiter aufgegriffen. Der Film nimmt solche Konflikte stillschweigend in Kauf. Vielleicht ist das beabsichtigt, doch leider misslingt dieser Schachzug.

Es fehlt das „In-die-Welt-schlagen“

Zwar gelingt es dem Film, die Provinz-Idylle einzufangen – und auch die Langeweile, die die Jungen immer wieder zu Unfug anstachelt -, aber für das eigentlich brisante Thema ist der Film zu verhalten und ruhig. Man erwartet, dass einer oder gar beide Jungen abschweifen, mit roher Gewalt konfrontiert werden oder sie selbst ausüben, oder dass es weitere Extrembilder zu sehen gibt. Man rechnet mit mehr Gesellschaftskritik, auch wenn diese nur am Rande angesprochen wird. Vor allem in Szenen, in denen dem Zuschauer klar wird, dass nicht nur der Vater der Kinder mit seinen eigenen Dämonen kämpft, sondern dass sich viele Menschen in dieser Situation befinden.

Es fehlt das „In die Welt schlagen“ der Charaktere, das man jeden Moment erwartet und das sich leider nicht einstellt. Dennoch gibt es einen wirklich gelungenen emotionalen Ausbruch des jüngeren Bruders, der zwischen lautstarkem Schreien und bitterem Weinen einen beeindruckenden Moment des Films erzeugt. Darstellerisch tragen die beiden Jungs den Film wie zwei gestandene Schauspieler und sorgen immer wieder für Lichtblicke. Aber auch ihnen fehlen die entscheidenden Momente, die der Film gebraucht hätte, um dem Thema mehr Gewicht zu verleihen.

Das Thema DDR oder die Neonazis, die sich hinter Lederjacken und auf Fensterscheiben abgedruckten Fäusten verstecken und den Aufhänger des Films und des Romans bilden, bleibt fast gänzlich unerforscht. Die Brüder kommen mit diesen Akteuren nur am Rande in Berührung, und auch hier wird dem aufkeimenden Konflikt kein Raum eingeräumt. So entsteht der Eindruck, dass Tobis letzte Aktion eher ein Racheakt für den Bruder und seine bescheidene Kindheit darstellt und weniger eine Handlung aus Fremdenhass, die den Autor ursprünglich zum Schreiben des Romans veranlasste.

Gelungenes Abbild einer Kindheit in den frühen 2000ern

Der Film verpasst es also, das Thema ernsthaft zu transportieren und zu entwickeln. Allein die Figur „Uwe“, die genauso schnell wieder verschwindet, wie sie auftaucht, hätte eine unglaublich spannende, konfliktreiche Ebene hinzugefügt. Es sind viele interessante Themen in der Handlung versteckt, die Constanze Klaue gerne mehr hätte aufgreifen können, um die Geschichte der Figuren vielleicht besser und verständlicher zu erzählen. Und wo sie an der musikalischen Untermalung spart, indem sie uns nur die einzelnen Tastentöne eines Klaviers hören lässt, sollte nicht an spannenden Konflikten gespart werden, die auch ausgetragen werden müssen.

Fazit: Nichtsdestotrotz ist „Mit der Faust in die Welt schlagen“ eine durch und durch gelungene Darstellung einer Kindheit in den frühen 2000er Jahren geworden, mit allem, was die Kinder an diesem Ort zu dieser Zeit bewegt haben mag – und das wird auch noch von zwei bemerkenswerten jungen Schauspielern wirklich großartig dargestellt. Film Bewertung 7 / 10

© Flare Film / Chromosom Film
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MIT DER FAUST IN DIE WELT SCHLAGEN
© Flare Film / Chromosom Film