Festival Beitrag: Annecy 2024 (Animationsfilmfestival)
Inhalt: Der zwölfjährige Ben kehrt nach den Sommerferien in seine Klasse zurück und bemerkt, dass sich alles verändert hat. Seine Mitschüler scheinen über den Sommer gereift zu sein, und auch er selbst hat sich gewandelt. Plötzlich spielt sein Gewicht eine zentrale Rolle in seinem Leben.
Die besorgte Schulkrankenschwester und seine Eltern drängen ihn, sein Verhalten zu ändern, doch Ben, der leidenschaftlich gern isst und kocht, kämpft mit der Motivation zum Abnehmen. Glücklicherweise gibt es Klara, ein Mädchen aus seiner Klasse, für das er heimlich schwärmt.
Doch Klaras große Brüder und Bens schwindendes Selbstbewusstsein stellen Herausforderungen dar. Schließlich muss Ben erkennen, dass es wichtiger ist, er selbst zu sein und auf sein eigenes Gefühl zu hören, anstatt sich nur auf sein Aussehen zu konzentrieren.
Film Kritik
Wenn die Pubertät einsetzt, geraten nicht nur die Hormone außer Kontrolle, sondern auch die eigene Wahrnehmung des eigenen Körpers. „Hungrig nach Leben“ ist das Lebensmotto von Ben, dem einfühlsamen jungen Protagonisten des Films. Kristina Dufkova versteht es meisterhaft, sich in das andere Geschlecht einzufühlen und ein besonders sensibles Thema mit viel Feingefühl zu behandeln.
Im Mittelpunkt des Films steht die liebevoll gestaltete Figur Ben, dessen Geschichte auf außerordentlich kreative Weise erzählt wird. Dufkovas einfühlsame Inszenierung und die authentische Darstellung der Charaktere machen diesen Film zu einem bemerkenswerten Erlebnis, das sowohl das Herz als auch den Verstand berührt.
Stop-Motion bietet immer eine faszinierende Möglichkeit, Figuren auf künstlerische Weise zum Leben zu erwecken. In Kristina Dufkovas Film, der auf dem gleichnamigen Buch basiert, entfaltet sich eine phänomenale Welt, die bis ins kleinste Detail durchdacht ist. Ganze Straßenzüge, Regenszenen und Zeitlupenmomente schaffen atemberaubende Bilder, die in ihrer Einzigartigkeit beispiellos sind.
Dufkova kombiniert gekonnt Stop-Motion mit animierten Elementen, um der Geschichte eine zusätzliche dramatische Tiefe zu verleihen. Bens Traum- und Albtraumvisionen sind durch ihre realistische Darstellung besonders eindrucksvoll und berührend. So wird Bens Trauer als großes schwarzes Nichts inszeniert, und sein erster Schritt zurück vor die Haustür wird von einem Moment begleitet, in dem die Welt stillzustehen scheint.
Der Film überrascht mit neuen Ideen
Leider kommt die englische Synchronfassung des Films nicht so gut rüber, wie sie sollte. Während die Figuren auf der Leinwand sehr lebendig wirken, kommt die Synchronisation hölzern und flach daher. Das schmälert leider den Charakter und die Tiefe der Figuren. Es bleibt zu hoffen, dass für den deutschen Markt eine einfühlsamere Synchronisation erstellt wird.
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Auch die Gesangspassagen, die eine zentrale Rolle spielen, werden in dieser Fassung nicht voll ausgeschöpft, was leider dem Film einen Teil seines Charmes und des Gesamterlebnisses raubt. Nichtsdestotrotz ist es bei einem Film dieses Formats unabdingbar, über den kreativen Gestaltungsprozess und den enormen Aufwand zu sprechen, der damit verbunden war.
Jede Figur ist sorgfältig von Hand modelliert und zum Leben erweckt. Egal, ob es sich um eine Taube auf dem Dach, eine aufwendige Schwimmbadszene, den oberen Teil einer Autofahrt oder fallenden Schnee handelt. Dufkovas überrascht immer wieder mit neuen Ideen, sogar in den Szenenübergängen. Die Arbeit steckt dabei in jedem einzelnen Bild, in jeder Szene und buchstäblich in jeder Bewegung.
Erschafft eigene einzigartige Momente
Allerdings wird auch die Handlung des Films nicht vernachlässigt. Neben den bekannten Coming-of-Age-Momenten, in denen die Hauptfigur mit Ausgrenzung und ihrer ersten Liebe konfrontiert wird, sowie der berühmten epischen Schlussszene der Band, bietet der Film eigene, einzigartige Momente.
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Zum Beispiel, wenn Bens Arzt fragt, für wen er eine Diät macht. Oder die Liebesgeschichte der Hauptfigur des Films, die zu einem unkonventionellen Ende kommt. Dabei zeigt Dufkova einen reifen und liebevollen Umgang mit der Figur von Klara.
Die Filmhandlung ist einem Thema gewidmet, das selten im Medium Film behandelt wird, aber wichtig ist, vor allem für ein jüngeres Publikum: nämlich das Thema Übergewicht. Es gibt aber auch andere Parallelen, wie zum Beispiel die Trennung der Eltern, die schulischen Probleme und die Identitätswechsel.
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Fazit: Diese schweren Themen werden hier auf eine leichte und dennoch zugängliche Weise erzählt. Vielleicht trägt auch die Art der Umsetzung dazu bei: Statt echter Schauspieler sieht man handgefertigte Puppen, denen man sich dadurch möglicherweise sehr viel näher fühlen kann.
Film Bewertung 7 / 10