Inhalt: Die ungleichen Cousins David (Jesse Eisenberg) und Benji (Kieran Culkin) reisen gemeinsam nach Polen, um mehr über das Leben ihrer kürzlich verstorbenen Großmutter zu erfahren. Der Roadtrip, der als Reise in die Vergangenheit gedacht war, konfrontiert die beiden mit der Gegenwart, in der sie ihre Beziehung zueinander und ihre Familiengeschichte hinterfragen.
Eine humorvolle und emotionale Reise zu den Wurzeln
A Real Pain ist eine gelungene Rolls-Royce-Version des oft schlecht behandelten Genres: eine Komödie mit nicht zusammen passenden Figuren. In Jesse Eisenbergs zweiter Regiearbeit (nach When You Finish Saving the World), begeben sich zwei jüdische Cousins auf eine Reise, um ihre Vorfahren in Polen zu würdigen. Das Ergebnis ist ein wechselweise lustiger, stimmungsvoller und emotionaler Road Trip, der dank der beiden großartigen Hauptdarsteller (Jesse Eisenberg und Kieran Culkin), wie im Flug vergeht.
Eisenberg beschreibt seine gegensätzlichen Protagonisten äußerst sparsam. Sein David ist geradlinig und ein bisschen nervös, er führt ein zufriedenes Leben als Verkäufer digitaler Werbeflächen in New York und hat eine Frau (Ellora Torchia), und einen bezaubernden Sohn (gespielt von Eisenbergs leiblichem Sohn Banner Eisenberg). Culkins Benji ist ein unberechenbarer Sprücheklopfer, ein Herumtreiber, der es zu nichts bringt – er schickt Gras per Luftpost zu seinem Hotel in Polen – verfügt aber über genügend Charisma, um sich aus jeder misslichen Lage zu retten.
Mit ihrer Holocaust-Reisegruppe – der kessen, geschiedenen Marcia (Jennifer Grey aus Dirty Dancing), dem bodenständigen älteren Ehepaar Diane (Liza Sadovy), und Mark (Daniel Oreskes), sowie Eloge (Kurt Egyiawan), einem freundlichen Mann aus Ruanda, der dem Völkermord in seinem Land entkam und zum Judentum konvertierte – besuchen die beiden verschiedene jüdische Gedenkstätten, bevor sie sich auf den Weg zum Haus ihrer Großmutter machen, einer Holocaust-Überlebenden, die kürzlich verstorben ist.
Zwischen schräger Komik und bewegender Ernsthaftigkeit
Eisenberg hat ein paar köstliche Versatzstücke für Benji parat. So lässt er die Gruppe bei einem Fototermin vor einem polnischen Kriegsdenkmal zusammenkommen, stürmt aus einem Zugwaggon der ersten Klasse, weil er das Gefühl hat, dass die Zugfahrt für Juden ein Widerspruch zu den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs ist, oder schimpft über den britischen Reiseleiter James (ein hervorragender Will Sharpe), weil er zu viele Fakten preisgibt. Aber es klingt immer menschlich und ehrlich.
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Das Drehbuch von Eisenberg hat eine unverkrampfte, an Linklater erinnernde Qualität und wechselt geschickt von einer schrägen Komödie zu etwas Ernsterem und Gefühlvollerem. Der Titel bezieht sich natürlich auf Culkins unausstehlichen, extrovertierten Charakter. Es handelt sich aber auch um eine umfassendere Untersuchung darüber, wie historischer Schmerz moderne Auffassungen von Leid beeinflusst und mit diesen kollidiert. Dabei wird auch die Schwierigkeit thematisiert, heutige Erfahrungen mit der ungeheuren Tragweite der von früheren Generationen erlittenen Traumata zu vergleichen.
Bei all den cleveren Dialogen (Benji: „Geld ist Heroin für langweilige Leute“; David: „Was soll das überhaupt bedeuten?“) und der peinlichen Komik kann A Real Pain in puncto Ernsthaftigkeit mühelos mithalten. Es spricht für Eisenbergs Gespür für die richtige Tonalität, dass der Besuch des Konzentrationslagers Majdanek, an dessen Wänden noch die bläulichen Rückstände von Zyklon-B-Gas zu sehen sind, ebenso angemessen wie aufwühlend wirkt!
Eine meisterhafte Darstellung familiärer Verwicklungen und innerer Konflikte
Der Soundtrack des Films, der oft von Klavierstücken des polnischen Komponisten Chopin begleitet wird, ist eher bescheiden und nicht besonders auffällig. Doch A Real Pain punktet vor allem mit seinen Hauptdarstellern. Eisenberg, ein Meister des Unbeholfenen und Unscheinbaren, fügt dem Film noch andere Facetten hinzu – Wärme und Humor. Er vermittelt perfekt Davids Sorge um Benji, welche von Eifersucht und Enttäuschung geprägt ist, weil sein Cousin so ungeheuer gut ankommt.
We Live In Time: Eine bewegende Erzählung über Liebe und Vergänglichkeit
Culkin macht Benji zu einem überlebensgroßen Lebemann. Doch er bleibt dabei realistisch und zeigt eine Verletzlichkeit und Melancholie, die von einer ganz anderen Schmerzempfindung zeugt. Gemeinsam liefern sie eine brillante Vorstellung der sich verändernden Familiendynamik in all ihrer komplizierten, nachvollziehbaren Verworrenheit.
Fazit: A Real Pain mag in seiner Form nicht sehr aufregend sein, aber es ist ein echter Augenschmaus. Eine liebevolle, humorvolle Abhandlung über familiären Neid und Vergangenheitsbewältigung. Der Film ist unbeschwert und unangenehm zugleich und lebt von der hervorragenden Besetzung mit Eisenberg und Culkin an der Spitze. Film Bewertung 9 / 10