Inhalt: Von der Oscar-prämierten Regisseurin Kathryn Bigelow kommt A HOUSE OF DYNAMITE. Als in den USA von Unbekannten eine einzelne Rakete gestartet wird, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, um den bzw. die Verantwortlichen zu finden und auf das Ereignis zu reagieren.
Ein atomarer Albtraum
Von den späten Achtzigern bis zur Jahrtausendwende war Kathryn Bigelow eine Meisterin des Genrekinos, die mit Werken wie Near Dark, Blue Steel, Point Break und Strange Days Kultstatus erlangte. Später gewann sie mit The Hurt Locker und Zero Dark Thirty als erste Frau den Regie-Oscar und schrieb Filmgeschichte. Doch nach der verhaltenen Resonanz auf Detroit (2017) wurde es still um sie – bis jetzt. Mit A House Of Dynamite meldet sich Bigelow zurück und präsentiert einen hochspannenden, furchteinflößenden Wettlauf gegen die Zeit, der an ihre besten Arbeiten anknüpft.
Schon in K-19: The Widowmaker beschäftigte sich Bigelow mit den Gefahren nuklearer Eskalation. Doch diesmal ist sie nicht an historische Fakten gebunden, sondern kann frei spekulieren, wie eine solche Katastrophe im Hier und Jetzt aussehen könnte. Nach einer kurzen Einführung mit Zahlen zur atomaren Aufrüstung seit dem Kalten Krieg stürzt der Film das Publikum direkt in ein Netz paralleler Handlungsstränge: Politiker in Washington, Soldaten auf einer abgelegenen Basis, Sicherheitsberater im Weißen Haus.
Im Mittelpunkt steht Captain Olivia Walker, gespielt von einer unerschütterlichen Rebecca Ferguson. Ihr Arbeitstag beginnt harmlos: ein Abschied von Mann und Sohn, ein Gang durchs Sicherheitsschleusensystem, dann die Ankunft im Situation Room. Doch bald füllen sich die Bildschirme mit Bildern des Schreckens. Eine ballistische Interkontinentalrakete ist auf dem Weg nach Chicago – und während Minuten zu Sekunden werden, gilt es herauszufinden, wer sie abgefeuert hat und wie die USA reagieren sollen.
Drehbuch voller Präzision
Das Drehbuch stammt von Noah Oppenheim, bekannt für Jackie und die Netflix-Serie Zero Day. Seine Erfahrung als Präsident von NBC News spiegelt sich in der Liebe zum Detail wider: Das Drehbuch ist voller Kürzel, Fachjargon und Abläufe, die Authentizität ausstrahlen. Narrativ ist der Film als eine Art „Dreiteiler“ aufgebaut: Jede Perspektive endet mit den letzten Sekunden vor dem Aufprall, bzw. mit der Möglichkeit, dass es sich um eine Fehlfunktion handelt, bevor die Handlung zurückspringt und wieder von vorne beginnt. Diesmal aus einer anderen Perspektive.
Dies ermöglicht eine dichte Dramaturgie, bedeutet aber auch, dass einigen Schauspielern zu wenig Raum gegeben wird. Greta Lee kann nur begrenzt Eindruck hinterlassen, während Jared Harris im letzten Drittel als Verteidigungsminister auftrumpfen kann, besonders dann, als er mitten in der Katastrophe mit dem möglichen Tod seiner entfremdeten Tochter konfrontiert wird. Gabriel Basso überrascht als junger, noch sehr unerfahrener Sicherheitsberater, der plötzlich diplomatische Verantwortung übernehmen muss, sehr zum Missfallen seiner kritischen Vorgesetzten.
Politik, Figuren und Zurückhaltung
Besonders bemerkenswert ist die Darstellung des Präsidenten, gespielt von Idris Elba. Er ist nicht beim ersten Krisentelefonat anwesend, sondern auf dem Basketballfeld mit einer Mädchenmannschaft , eine bewusst idealisierte, fast nostalgische Obama-Anmutung. Doch Bigelow und Oppenheim vermeiden es, ihn als makellosen Helden zu zeichnen. „Er ist mein dritter Präsident“, bemerkt sein Sicherheitschef (Brian Tee) trocken, „und sie waren alle chronisch verspätete Narzissten. Wenigstens liest dieser hier eine Zeitung.“
Bigelow verzichtet auf Schauwerte purer Zerstörung. Sie weiß, dass das, was das Publikum in seiner Vorstellung heraufbeschwört, furchteinflößender ist als jede Explosion auf der Leinwand. Die Spannung entsteht aus der Erwartung, aus der lähmenden Ungewissheit, ob die Rakete tatsächlich einschlagen wird.
Fazit: Mit „A House of Dynamite“ kehrt Bigelow zu alter Stärke zurück. Der Film ist nicht etwa ein neues politisches Manifest, sondern ein präziser, adrenalingetriebener Thriller rund um das brisante Thema Atomkraft. Er fesselt das Publikum, rüttelt es wach und konfrontiert es mit seinen Ängsten vor einer möglichen Katastrophe. Kathryn Bigelow beweist einmal mehr, dass sie eine Meisterin des spannungsgeladenen Kinos ist und meldet sich mit diesem Film eindrucksvoll zurück.
Film Bewertung 8 / 10